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PinG-Podcast "Follow the Rechtsstaat"

Follow the Rechtsstaat Folge 61

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In dieser Podcast-Folge geht es in Querbeet (ab Minute 01.08) zunächst um die unendliche Geschichte der Wahl eines Bundesbeauftragten und ein Bußgeld, welches die französische Aufsichtsbehörde CNIL gegen Amazon wegen Verletzung des Beschäftigtendatenschutzes verhängt hat.

Danach besprechen Niko Härting und Stefan Brink die ablehnende Entscheidung des rheinland-pfälzischen Datenschutzbeauftragten (ab Minute 07.38), Unterlagen zu Funktion und Entwicklung des Textgenerators ChatGPT herauszugeben. Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten der Länder und des Bundes DSK hatte bei OpenAI entsprechende Auskünfte zu ChatGPT eingeholt, allerdings lehnte der LfDI RLP einen darauf zielenden Informationszugangsantrag mit der Begründung ab, die Unterlagen enthielten sämtlichst Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von OpenAI – und dessen Schutzinteresse überwiege das öffentliche Interesse an einem demokratischen Diskurs über den Einsatz von KI.

In einer weiteren Entscheidung des OVG Hamburg (3 Bs 146/23 vom 29.11.2023, ab Minute 17:30), ging es um die Pflicht zum Vermerk des Geburtsdatums auf dem Kandidaturbogen für die Wahl zum Studierendenparlament. Hatte das VG Hamburg die Kandidatur noch mangels Angabe des geforderten Geburtsdatums für unwirksam gehalten, verwarf das OVG die Pflicht zur Angabe des Datums unter Hinweis auf den Grundsatz der Datenminimierung in der DS-GVO. Dieser schließe auch verfrühte Datenerhebungen aus.

Schließlich werfen Niko und Stefan einen leicht verwunderten Blick auf die Pressemitteilung des BVerwG (zum Verfahren 10 C 3.22 vom 19.12.2023), das die im Jahr 2018 in Kraft getretene Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern (AGO) „absegnete“: Nach dieser Vorschrift ist im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringen (ab Minute 33:03). Nach dem Kontext und Zweck der Verwendung des Kreuzessymbols identifiziere sich der Freistaat Bayern durch die Aufhängung von Kreuzen keineswegs mit christlichen Glaubenssätzen. Seine Anbringung im Eingangsbereich von Behörden stehe der Offenheit des Staates gegenüber anderen Bekenntnissen und Weltanschauungen nicht im Weg. Aha – warten wir mal auf die Eingebungen, welche uns in den schriftlichen Urteilsgründen präsentiert werden.

Follow the Rechtsstaat Folge 60

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Diese Podcast-Folge beschäftigt sich mit Fällen zur Informationsfreiheit, die uns der
Verein FragDenStaat freundlicherweise zur Verfügung stellt – und die belegen, dass das
Bürgerrecht „Freedom of Information“ zwar nützlich und wichtig ist, aber ganz erhebliche
Abwehrreaktionen der öffentlichen Verwaltung auslöst und auch den
Verwaltungsgerichten ziemliche Mühe bereitet.

Zunächst geht es in Querbeet (ab Minute 01.00) um die Feier der Uni Frankfurt/Main zu
Ehren des jüngst verstorbenen Datenschützers Prof. Spiros Simitis, um den
Neujahrsempfang des Deutschen Anwaltsvereins DAV und um eine Veranstaltung in
den Räumlichkeiten der Kanzlei Niko Härtings.

Dann bespricht er gemeinsam mit Stefan Brink die Entscheidung des VG Berlin zur
Herausgabe der SMS von Außenminister Maas anlässlich des Abzugs der Bundeswehr
aus Afghanistan (VG 2 K 124/22 vom 11.10.2023, ab Minute 13.55). Das Berliner
Verwaltungsgericht, bekannt durch zahlreiche freiheitsfreundliche Entscheidungen zum
Zugangsrecht der BürgerInnen zu behördlichen Informationen, versucht hier die nicht
recht plausible Auffassung zu begründen, dass Kommunikation des Außenministers auf
dem Diensthandy gar nicht unter den Begriff „amtliche Informationen“ falle. Jedenfalls
wird deutlich, dass die öffentliche Verwaltung gerade wegen immer weiterer Formen
moderner Kommunikation (E-Mail, SMS, Social Media, eAkte) klarer „bürokratischer“
Vorgaben durch eine Aktenordnung bedarf, die exakt vorgibt, wie welche
Behördenäußerungen zu „verakten“ sind – ansonsten läuft der Anspruch auf
Informationszugang leer.

Spannend auch die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach (AN
14 E 23.1992 vom 2.11.2023, ab Minute 44:17), die einen presserechtlichen
Auskunftsanspruch gegenüber der Bundesagentur für Arbeit bejaht und der
Antragstellerin Auskunft auf die Fragen danach zuspricht, gegen welche Unternehmen
im Jahr 2022 ein Bußgeldverfahren eingeleitet wurde, weil sie entgegen gesetzlichen

Vorgaben keine Menschen mit Behinderung beschäftigten. Wenig überzeugende
Einwände der BfA, dem stünde der Datenschutz (der Unternehmen?), jedenfalls aber
der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen entgegen, entkräftet das VG
Ansbach überzeugend.

Schließlich wird eine erfolgreiche Klage von FdS vor dem VG Köln (13 K 4761/18 vom
9.11.2023, ab Minute 48:45) erörtert, wonach die Kölner Verkehrsbetriebe zur Auskunft
über die Anzahl der von ihr bis zum 11. Dezember 2017 durchgeführten
Fahrgastkontrollen, aus der sich auch der Ort der Kontrollen ergibt sowie über die
Anzahl der von ihr erfolgten Aufforderungen zur Zahlung eines sogenannten „erhöhten
Beförderungsentgeltes“ verpflichtet sind. Die Entgegnungen der KVB sind zwar
phantasievoll (sie befördere nur Personen von A nach B, was nicht unter Planung,
Organisation und Ausgestaltung des ÖPNV falle und damit keine öffentlich-rechtliche
Aufgabe sei bzw. der Informationserteilung stehe der Versagungsgrund entgegen, dass
diese zu einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit führe; zudem sei nicht
auszuschließen, dass der Kläger eine Schädigungsabsicht verfolge), werden vom VG
klar widerlegt. Dass FdS hierauf geschlagene 6 Jahre warten musste (und der Prozess
wohl noch nicht zu Ende ist), ist allerdings betrüblich.

Auch im neuen Jahr 2024 werden wir regelmäßig Fälle von FdS vorstellen und die
rechtliche Praxis der Informationsfreiheit aufmerksam betrachten.

Follow the Rechtsstaat Folge 59

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Die erste Podcast-Folge des Jahres widmet sich zunächst in Querbeet (ab Minute 1.30) zwei Aktivitäten der EU-Kommission: Um den für alle lästigen Cookie-Bannern zu entkommen startete die Kommission eine Initiative, Webseiten-Anbieter zum Verzicht auf die Abfrage einer Einwilligung zu bewegen und hat dazu den Entwurf von Verpflichtungsgrundsätzen für die digitale Werbeindustrie vorgelegt, der eine Alternative zum „Pay oder Okay“-Modell bietet. Zudem hat die EU-Kommission im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste (Digital Services Act DSA) ein förmliches Verfahren gegen X eingeleitet (ab Minute 9.27) Gegenstand der Untersuchung ist, ob X in Bereichen wie Risikomanagement, Moderation von Inhalten, Dark Patterns, Transparenz, Werbung und Datenzugang für Forscher möglicherweise gegen das Gesetz über digitale Dienste verstoßen hat.

Dann sprechen Niko Härting und Stefan Brink eingehend über die Vorlageentscheidung des EuGH vom 14.12.2023 (C-340/21, ab Minute 21.28): Der EuGH beantwortet Fragen eines bulgarischen Gerichts zum Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens wegen der Verletzung technischer oder organisatorischer Maßnahmen nach Art 24 und 32 DS-GVO. Der EuGH legt Art. 82 Abs. 1 DS-GVO so aus, dass allein die Befürchtung einer betroffenen Person, dass ihre personenbezogenen Daten durch Dritte missbräuchlich verwendet werden könnten, einen „immateriellen Schaden“ im Sinne dieser Bestimmung darstellen kann. Das sorgt sicherlich für ganz erheblichen Diskussionsbedarf – ab Minute 38.24 denken Niko und Stefan daher über mögliche Kriterien für Schadenersatzklagen nach Art. 82 DS-GVO im Jahre 2024 nach.

Wir freuen uns auf ein spannendes neues Jahr 2024 – und Euer geschätztes Feedback!

Follow the Rechtsstaat Folge 58

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Isabelle Biallaß ist Richterin am Amtsgericht Essen und befasst sich seit mehr als einem Jahrzehnt mit eJustice und der Digitalisierung der Justiz. Sie ist unter anderem Mitglied des Vorstandes des EDV-Gerichtstags.

Im Gespräch mit Niko Härting berichtet Isabelle Biallaß über den Stand der Digitalisierung an den nordrhein-westfälischen Gerichten und über den Stand des elektronischen Rechtsverkehrs bundesweit. Was kommt nach dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA)? Wie lange wird es dauern, bis es Portallösungen gibt, die den Anwälten Zugriff auf die Gerichtsakten ermöglichen?

Die geplanten Erleichterungen für gerichtliche Videoverhandlungen stecken derzeit im Bundesrat fest. Isabelle Biallaß diskutieren Vor- und Nachteile von Videoverhandlungen – auch aus der Sicht der Bürgerinnen und Bürger, deren Fälle verhandelt werden. Ist es sinnvoll, Videoverhandlungen auch für die Befragung von Zeuginnen und Zeugen zuzulassen?

In Massenverfahren – ob Diesel, Fluggastrechte oder Datenschutz – sind die Gerichte laut Isabelle Biallaß gegenüber den beteiligten Kanzleien stets im Nachteil, da es dort derzeit keine Möglichkeit gibt, Daten in strukturierter Form entgegenzunehmen. § 130c ZPO ermöglicht entsprechende Rechtsverordnungen, ist jedoch eine Dunkelnorm, die auch Niko Härting nicht kennt. Laut Isabelle Biallaß fehlt es oft nicht an kreativen Gedanken für eine fortschreitende Digitalisierung, man hinkt jedoch bei der Umsetzung hinterher.

Im letzten Teil des Gesprächs geht es um Vorbilder der Digitalisierung – nicht nur im vielzitierten Estland, sondern auch in Dänemark und Kanada. Und natürlich geht es auch um OLGA, FRAUKE und andere Pilotprojekte für den Einsatz künstlicher Intelligenz an den Gerichten. Für „absolut unrealistisch“ hält es Isabelle Biallaß, dass die Richterin oder der Richter eines Tages einmal durch „KI“ ersetzt wird.

Und ganz am Schluss geht es auch um den Datenschutz. Was sollten Richterinnen und Richter beachten, wenn sie zur Unterstützung ihrer Arbeit Softwaretools einsetzen?

Follow the Rechtsstaat Folge 57

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Die letzte Podcast-Folge des Jahres widmet sich zunächst in Querbeet (ab Minute 01.35) der Veranstaltung zum Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983, welche wir letzte Woche mit dem Erich Schmidt-Verlag in der Landesvertretung des Freistaats Sachsen beim Bund durchführen durften.

Dann widmen sich Niko Härting und Stefan Brink eingehend der Vorlageentscheidung des EuGH zum Scoring der SCHUFA vom 7.12.2023 (ab Minute 06.44): Der EuGH hat bereits die Bildung eines Scorewertes, der eine Prognose zur Wahrscheinlichkeit der Erfüllung von Verbindlichkeiten durch eine bestimmte Person abgibt (vulgo: Bonität), als automatisierte Entscheidung gemäß Art. 22 DS-GVO eingeordnet – und damit nicht nur dieses Geschäftsmodell auf den Prüfstand des Datenschutzes gestellt, sondern auch die Rechte der Verbraucher:innen in Bezug auf die Transparenz der „involvierten Logik“ (Art. 15 Abs. 1 lit. h DS-GVO) massiv gestärkt.

Danach (ab Minute 31.48) lassen Niko und Stefan das Podcast-Jahr 2023 Revue passieren und beleuchten die Bedeutung von EuGH, des BVerfG sowie der Aufsichtsbehörden und ihrer Leitungen für die Themenfelder Datenschutz und Informationsfreiheit – und natürlich erinnern sich beide an die besonderen Podcasts des ablaufenden Jahres.

Wir freuen uns auf das neue Jahr 2024 – und Euer Feedback!

Follow the Rechtsstaat Folge 56

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Diese Podcast-Folge steht ganz im Zeichen eines Jubiläums: Das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983 wird diese Woche 40!

Grund genug, diese Folge ganz der Geburtsstunde des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung zu widmen – zumal Niko Härting und Stefan Brink an diesem Freitag zu einer feierlichen Veranstaltung zahlreiche Akteure, Wegbegleiter und Freund:innen des Grundrechts nach Berlin eingeladen haben.

Zunächst einmal (ab Minute 04:05) beleuchten beide das gesellschaftliche und politische Umfeld der Volkszählung – 1983 war nicht nur „1 vor Orwell“, sondern auch geprägt von sehr lebendigen Formen der politischen Auseinandersetzung um die staatliche Datenerhebung.

Dann gilt der Blick der Entscheidung des BVerfG selbst (ab Minute 20:45), die sich in zahlreichen Passagen als wahrer „Klassiker“ erweist: Wer kennt nicht die Formulierung unseres obersten Gerichts, wonach mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung eine Gesellschaftsordnung nicht vereinbar wäre, „in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß“ – aber auch die klugen Überlegungen zu den sozialen Beschränkungen dieses Grundrechts sind heute noch lesenswert.

Abschließend werden die konkreten Resultate der Entscheidung betrachtet (ab Minute 45:25), neben Vorgaben zu technischen und organisatorischen Maßnahmen verbot das BVerfG insbesondere den auf die Volkszählung gestützten Melderegisterabgleich.
Na dann: Happy Birthday, Datenschutz-Grundrecht!

Follow the Rechtsstaat Folge 55

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Ein Podcast, drei Themen:

1. Stefan Brink ist erstaunt, dass er laut Medienberichten Nachfolger von Ulrich Kelber als Bundesdatenschutzbeauftragter werden soll. Was ist dran an den Gerüchten? Und warum gibt es kurz vor dem Ende der Amtszeit von Ulrich Kelber immer noch keine Äußerung aus seiner Partei (SPD) über die von Ulrich Kelber angestrebte Verlängerung?

2. ab Minute 03:38: Lang erwartet, endlich da: die Entscheidung des EuGH zum Fall Deutsche Wohnen. Stefan Brink und Niko Härting sind sich einig, dass die Entscheidung den Datenschutzbehörden die Verhängung von Bußgeldern erheblich erleichtert, zumal eine weitere Entscheidung des EuGH vom selben Tag in einem litauischen Fall ein Bußgeld sogar dann ermöglicht, wenn es nicht bei dem Verantwortlichen, sondern bei einem Auftragsverarbeiter zu einer Datenpanne gekommen ist (EuGH vom 5.12.2023 C-807/21 und C 683/21).

3. ab Minute 31:25: Lob für Karlsruhe: Der Verfassungsrichter Wolff hatte Zweifel an seiner Unbefangenheit im Verfahren über die Verfassungsbeschwerde gegen das neue BKA-Gesetz. Vorbildlich listete er auf, in welchen Zusammenhängen er mit dem BKA-Gesetz und verwandten Themen in anderer Funktion befasst war. Seine Richterkolleginnen und -kollegen wogen ab: Unbefangen (BVerfG vom 24.10.2023, 1 BvR 1160/19).

Follow the Rechtsstaat Folge 54

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Diese Podcast-Folge knüpft gleich zweimal an ärztliche Patientenakten an, allerdings mit zwei gänzlich unterschiedlichen Themen:

Die Probleme mit der elektronischen Patientenakte ePA sind bekannt, sie wurde ohne hinreichende Wahlmöglichkeiten der PatientInnen eingeführt, setzt mit der Widerspruchsmöglichkeit auf eine wenig datenschutzfreundliche Lösung und bietet auch wegen ihrer schwachen Datensicherheit (2-Wege-Authentifizierung ist nicht vorgesehen) genügend Anlass für Streit zwischen Bundes-Gesundheitsminister Lauterbach und dem Bundes-Datenschutzbeauftragten Ulrich Kelber
Das heikle an dieser Auseinandersetzung: BfDI Kelber steht nach 5 Jahren Amtszeit im Januar 2024 zur Wiederwahl – aber davon hört man offiziell nichts. Dafür wird hinter den Kulissen getuschelt, man sei in politischen Kreisen mit seinem energischen Eintreten für den Datenschutz unzufrieden. Und damit sind wir inmitten einer Debatte um die Unabhängigkeit der Datenschutz-Aufsicht, welche die DS-GVO gleichzeitig garantiert und voraussetzt. Würde da ein Wiederwahlverbot bei gleichzeitig verlängerter Amtsperiode (ähnlich den Richtern des Bundesverfassungsgerichts) helfen? Darüber diskutieren Niko Härting und Stefan Brink ausführlich.

Auch um Patientenakten geht es beim zweiten Thema, einem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26.10.2023 – Rechtssache C‑307/22 (ab Minute 20:40). Wieder steht die Reichweite des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 DS-GVO zur Entscheidung, diesmal mit der Frage, ob davon auch ein Anspruch auf kostenlose Kopie der gesamten Patientenakte umfasst ist. Dies widerspricht nicht nur § 630g BGB, der einen Kostenerstattungsanspruch des Arztes vorsieht. Auch musste sich der EuGH mit der Frage befassen, ob der Anspruch auf Kopie der personenbezogenen Daten (Art. 15 Abs. 3 DS-GVO) zugleich ein Anspruch auf Kopie der gesamten Patientenakte ist. Hier hat sich der EuGH auf eine sehr datenschutzfreundliche Position gestellt, welche alle verantwortlichen Datenverarbeiter vor erhebliche Probleme stellen wird. Auch das lädt zur Diskussion ein!

Follow the Rechtsstaat Folge 53

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Niko Härting spricht mit der Rechtspolitikerin Manuela Rottmann, seit 2017 für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag und bis Ende 2022 Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ein.

Ab Minute 2:43 geht es um die Eckpunkte für ein Bürokratieentlastungsgesetz, die die Bundesregierung kürzlich beschlossen hat. Manuela Rottmann erläutert einige der Eckpunkte, betont jedoch zugleich, dass über weitergehende Maßnahmen zu diskutieren ist. Wer über Bürokratieabbau spricht, kommt nicht umhin, zugleich über Risikobereitschaft zu sprechen. Rottmann hält eine Wertedebatte für erforderlich und verweist auf Schwierigkeiten von Kleinunternehmern und Ehrenamtlern, die die bürokratischen Erfordernisse kaum bewältigen können.

An Beispielen wie den verschärften Sicherheitsauflagen für Großveranstaltung seit dem Unglück in Duisburg 2010 zeigt Manuela Rottmann auf, dass Regelungen, die als bürokratisch empfunden werden, oft auf das Bedürfnis nach „mehr Sicherheit“ zurückzuführen sind. Wer Bürokratie abbauen möchte, komme daher nicht an einer Debatte darüber vorbei, wie viel Risiko die Gesellschaft in Kauf zu nehmen bereit ist.

Ab Minute 11:10 legt Manuela Rottmann dar, dass Bürokratieabbau auch ein Umdenken in der Verwaltung erfordert. Es geht dabei um die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Manuela Rottmann erläutert Erfahrungen aus ihrer früheren Verwaltungspraxis. Die Sorge vor persönlicher Verantwortlichkeit, Haftung oder sogar Strafbarkeit sei ein wesentliches Problem. Führungskräfte ermutigen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur selten, Risiken einzugehen.

Ab Minute 20:27 geht es um den Datenschutz. Mit ihren strengen Regeln wollte die DSGVO vor allem große US-Konzerne bändigen und europäischen Bürgern Sicherheit beim Umgang mit Personendaten verschaffen. Die Folgen des strengen Datenschutzes treffen jedoch in der Praxis vor allem kleine und mittelständische Unternehmen, Vereine oder Ehrenamtler. Viel zu wenig achten die Datenschutzbehörden darauf, dass nicht nach dem Prinzip „Vorschrift ist Vorschrift“ verfahren wird und richtige Schwerpunkte gesetzt werden. Der Versuchung, beim Gesetzesvollzug sich mit „Low Hanging Fruit“ zu begnügen, gibt es jedoch keineswegs nur beim Datenschutz. Manuela Rottmann verweist darauf, dass sich etwa beim Denkmalschutz ähnliche Beispiele finden lassen.

Ab Minute 35:30 geht es um die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit. Während in vielen Bereichen Unglücksfälle, Pannen, Skandale mit Forderungen nach strengeren Gesetzen und „mehr Sicherheit“ beantwortet werden, nehmen wir mit dem Verzicht auf ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen Risiken ohne Weiteres in Kauf. Dies zeigt besonders deutlich, dass es bei der Balance zwischen Freiheit und Sicherheit immer um Wertentscheidungen handelt und es sich keineswegs so verhält, dass „Mehr Sicherheit“ immer die gesellschaftliche Antwort auf Lebensrisiken ist.

Follow the Rechtsstaat Folge 52

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Eine ganze Podcast-Folge nur einem Thema zu widmen, kommt selten vor. Diesmal schien es uns gerechtfertigt, ausschließlich auf die Entscheidung des Europäischen Datenschutz-Ausschusses EDSA gegenüber der irischen Aufsichtsbehörde zu schauen.

Am 27.10.2023 hat der EDSA die DPC Irland angewiesen, Meta personalisierte Werbung (behavioural advertising) “on the legal bases of contract and legitimate interest across the entire European Economic Area (EEA)” binnen zwei Wochen zu untersagen. Garniert wurde dieser Beschluss mit der Ansage: “It is high time for Meta to bring its processing into compliance and to stop unlawful processing.” Der Datenschutz zeigt also seine Zähne.

Dieser Entscheidung gingen umfangreichen Positionierung des EDSA voraus, der etwa im Dezember 2022 die Änderung der AGBs durch Facebook im Frühjahr 2018 problematisierte und darin eine unzulässige Verschiebung der Rechtsgrundlagen für personalisierte Werbung von einer Einwilligung (Art. 6 Abs. 1 lit. a DS-GVO) hin zu einer vertraglichen Grundlage (Art. 6 Abs. 1 lit. b DS-GVO) sah.

Stefan Brink stellt sodann (ab Minute 5:15) die Vorgeschichte der Entscheidung des EDSA dar und erläutert die Entscheidung des EuGH aus dem Juli dieses Jahres ( auf Vorlage des OLG Düsseldorf, Fall Bundeskartellamt gegen Meta), mit der auch der EuGH eine Absage an Tracking auf vertraglicher Grundlage erteilte. Dass ein berechtigtes Interesse (Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO) nur wenig taugliche Verarbeitungsgrundlage ist, erklärte der EuGH in derselben Entscheidung.

Damit bleibt nur noch die Einwilligung, auf die Meta (und auch alle anderen auf Basis von Tracking und Profiling arbeitenden online-Anbieter) sein Geschäftsmodell stützen kann – eine aus Sicht von Niko Härting (ab Minute 16:15) wenig überzeugende Tendenz, sollten mit der DS-GVO doch gerade Alternativen zum einwilligungsfixierten Datenschutz gestärkt werden.

Kritisch setzen sich die Hosts (ab Minute 24:30) auch mit der Frage auseinander, ob der EDSA bei seinen Vorgaben an die irische Aufsicht die Regularien des Kohärenzverfahrens der DS-GVO eingehalten hat und ob es mit den Iren hier eigentlich die Richtigen trifft.

Abschließend werfen beide einen Blick auf die Folgen der Entscheidung des EDSA für die auch im deutschen Verlagswesen weit verbreiteten Pur Abo-Modelle (ab Minute 34:00), wo sich der Inhalteanbieter für den Verzicht auf Tracking und Werbung bezahlen lässt – bei Meta werden dies zwischen 10 und 13 Euro im Monat sein, was der Konzern (erstaunlich rasch) bereits am 30.10.2023 verkündete. Es tut sich also was in der schönen Welt des Datenschutzes!

Über diesen Podcast

„Follow the Rechtsstaat“, der Podcast der Zeitschrift PinG, Privacy in Germany mit Stefan Brink und Niko Härting. Wir kümmern uns um aktuelle Fragen des Rechts, des Rechtsstaats und unserer Verfassung und schauen dabei immer ganz besonders auf die Themen Datenschutz und Informationsfreiheit.

von und mit Prof. Niko Härting

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