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PinG-Podcast "Follow the Rechtsstaat"

Follow the Rechtsstaat Folge 55

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Ein Podcast, drei Themen:

1. Stefan Brink ist erstaunt, dass er laut Medienberichten Nachfolger von Ulrich Kelber als Bundesdatenschutzbeauftragter werden soll. Was ist dran an den Gerüchten? Und warum gibt es kurz vor dem Ende der Amtszeit von Ulrich Kelber immer noch keine Äußerung aus seiner Partei (SPD) über die von Ulrich Kelber angestrebte Verlängerung?

2. ab Minute 03:38: Lang erwartet, endlich da: die Entscheidung des EuGH zum Fall Deutsche Wohnen. Stefan Brink und Niko Härting sind sich einig, dass die Entscheidung den Datenschutzbehörden die Verhängung von Bußgeldern erheblich erleichtert, zumal eine weitere Entscheidung des EuGH vom selben Tag in einem litauischen Fall ein Bußgeld sogar dann ermöglicht, wenn es nicht bei dem Verantwortlichen, sondern bei einem Auftragsverarbeiter zu einer Datenpanne gekommen ist (EuGH vom 5.12.2023 C-807/21 und C 683/21).

3. ab Minute 31:25: Lob für Karlsruhe: Der Verfassungsrichter Wolff hatte Zweifel an seiner Unbefangenheit im Verfahren über die Verfassungsbeschwerde gegen das neue BKA-Gesetz. Vorbildlich listete er auf, in welchen Zusammenhängen er mit dem BKA-Gesetz und verwandten Themen in anderer Funktion befasst war. Seine Richterkolleginnen und -kollegen wogen ab: Unbefangen (BVerfG vom 24.10.2023, 1 BvR 1160/19).

Follow the Rechtsstaat Folge 54

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Diese Podcast-Folge knüpft gleich zweimal an ärztliche Patientenakten an, allerdings mit zwei gänzlich unterschiedlichen Themen:

Die Probleme mit der elektronischen Patientenakte ePA sind bekannt, sie wurde ohne hinreichende Wahlmöglichkeiten der PatientInnen eingeführt, setzt mit der Widerspruchsmöglichkeit auf eine wenig datenschutzfreundliche Lösung und bietet auch wegen ihrer schwachen Datensicherheit (2-Wege-Authentifizierung ist nicht vorgesehen) genügend Anlass für Streit zwischen Bundes-Gesundheitsminister Lauterbach und dem Bundes-Datenschutzbeauftragten Ulrich Kelber
Das heikle an dieser Auseinandersetzung: BfDI Kelber steht nach 5 Jahren Amtszeit im Januar 2024 zur Wiederwahl – aber davon hört man offiziell nichts. Dafür wird hinter den Kulissen getuschelt, man sei in politischen Kreisen mit seinem energischen Eintreten für den Datenschutz unzufrieden. Und damit sind wir inmitten einer Debatte um die Unabhängigkeit der Datenschutz-Aufsicht, welche die DS-GVO gleichzeitig garantiert und voraussetzt. Würde da ein Wiederwahlverbot bei gleichzeitig verlängerter Amtsperiode (ähnlich den Richtern des Bundesverfassungsgerichts) helfen? Darüber diskutieren Niko Härting und Stefan Brink ausführlich.

Auch um Patientenakten geht es beim zweiten Thema, einem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26.10.2023 – Rechtssache C‑307/22 (ab Minute 20:40). Wieder steht die Reichweite des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 DS-GVO zur Entscheidung, diesmal mit der Frage, ob davon auch ein Anspruch auf kostenlose Kopie der gesamten Patientenakte umfasst ist. Dies widerspricht nicht nur § 630g BGB, der einen Kostenerstattungsanspruch des Arztes vorsieht. Auch musste sich der EuGH mit der Frage befassen, ob der Anspruch auf Kopie der personenbezogenen Daten (Art. 15 Abs. 3 DS-GVO) zugleich ein Anspruch auf Kopie der gesamten Patientenakte ist. Hier hat sich der EuGH auf eine sehr datenschutzfreundliche Position gestellt, welche alle verantwortlichen Datenverarbeiter vor erhebliche Probleme stellen wird. Auch das lädt zur Diskussion ein!

Follow the Rechtsstaat Folge 53

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Niko Härting spricht mit der Rechtspolitikerin Manuela Rottmann, seit 2017 für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag und bis Ende 2022 Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ein.

Ab Minute 2:43 geht es um die Eckpunkte für ein Bürokratieentlastungsgesetz, die die Bundesregierung kürzlich beschlossen hat. Manuela Rottmann erläutert einige der Eckpunkte, betont jedoch zugleich, dass über weitergehende Maßnahmen zu diskutieren ist. Wer über Bürokratieabbau spricht, kommt nicht umhin, zugleich über Risikobereitschaft zu sprechen. Rottmann hält eine Wertedebatte für erforderlich und verweist auf Schwierigkeiten von Kleinunternehmern und Ehrenamtlern, die die bürokratischen Erfordernisse kaum bewältigen können.

An Beispielen wie den verschärften Sicherheitsauflagen für Großveranstaltung seit dem Unglück in Duisburg 2010 zeigt Manuela Rottmann auf, dass Regelungen, die als bürokratisch empfunden werden, oft auf das Bedürfnis nach „mehr Sicherheit“ zurückzuführen sind. Wer Bürokratie abbauen möchte, komme daher nicht an einer Debatte darüber vorbei, wie viel Risiko die Gesellschaft in Kauf zu nehmen bereit ist.

Ab Minute 11:10 legt Manuela Rottmann dar, dass Bürokratieabbau auch ein Umdenken in der Verwaltung erfordert. Es geht dabei um die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Manuela Rottmann erläutert Erfahrungen aus ihrer früheren Verwaltungspraxis. Die Sorge vor persönlicher Verantwortlichkeit, Haftung oder sogar Strafbarkeit sei ein wesentliches Problem. Führungskräfte ermutigen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur selten, Risiken einzugehen.

Ab Minute 20:27 geht es um den Datenschutz. Mit ihren strengen Regeln wollte die DSGVO vor allem große US-Konzerne bändigen und europäischen Bürgern Sicherheit beim Umgang mit Personendaten verschaffen. Die Folgen des strengen Datenschutzes treffen jedoch in der Praxis vor allem kleine und mittelständische Unternehmen, Vereine oder Ehrenamtler. Viel zu wenig achten die Datenschutzbehörden darauf, dass nicht nach dem Prinzip „Vorschrift ist Vorschrift“ verfahren wird und richtige Schwerpunkte gesetzt werden. Der Versuchung, beim Gesetzesvollzug sich mit „Low Hanging Fruit“ zu begnügen, gibt es jedoch keineswegs nur beim Datenschutz. Manuela Rottmann verweist darauf, dass sich etwa beim Denkmalschutz ähnliche Beispiele finden lassen.

Ab Minute 35:30 geht es um die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit. Während in vielen Bereichen Unglücksfälle, Pannen, Skandale mit Forderungen nach strengeren Gesetzen und „mehr Sicherheit“ beantwortet werden, nehmen wir mit dem Verzicht auf ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen Risiken ohne Weiteres in Kauf. Dies zeigt besonders deutlich, dass es bei der Balance zwischen Freiheit und Sicherheit immer um Wertentscheidungen handelt und es sich keineswegs so verhält, dass „Mehr Sicherheit“ immer die gesellschaftliche Antwort auf Lebensrisiken ist.

Follow the Rechtsstaat Folge 52

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Eine ganze Podcast-Folge nur einem Thema zu widmen, kommt selten vor. Diesmal schien es uns gerechtfertigt, ausschließlich auf die Entscheidung des Europäischen Datenschutz-Ausschusses EDSA gegenüber der irischen Aufsichtsbehörde zu schauen.

Am 27.10.2023 hat der EDSA die DPC Irland angewiesen, Meta personalisierte Werbung (behavioural advertising) “on the legal bases of contract and legitimate interest across the entire European Economic Area (EEA)” binnen zwei Wochen zu untersagen. Garniert wurde dieser Beschluss mit der Ansage: “It is high time for Meta to bring its processing into compliance and to stop unlawful processing.” Der Datenschutz zeigt also seine Zähne.

Dieser Entscheidung gingen umfangreichen Positionierung des EDSA voraus, der etwa im Dezember 2022 die Änderung der AGBs durch Facebook im Frühjahr 2018 problematisierte und darin eine unzulässige Verschiebung der Rechtsgrundlagen für personalisierte Werbung von einer Einwilligung (Art. 6 Abs. 1 lit. a DS-GVO) hin zu einer vertraglichen Grundlage (Art. 6 Abs. 1 lit. b DS-GVO) sah.

Stefan Brink stellt sodann (ab Minute 5:15) die Vorgeschichte der Entscheidung des EDSA dar und erläutert die Entscheidung des EuGH aus dem Juli dieses Jahres ( auf Vorlage des OLG Düsseldorf, Fall Bundeskartellamt gegen Meta), mit der auch der EuGH eine Absage an Tracking auf vertraglicher Grundlage erteilte. Dass ein berechtigtes Interesse (Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO) nur wenig taugliche Verarbeitungsgrundlage ist, erklärte der EuGH in derselben Entscheidung.

Damit bleibt nur noch die Einwilligung, auf die Meta (und auch alle anderen auf Basis von Tracking und Profiling arbeitenden online-Anbieter) sein Geschäftsmodell stützen kann – eine aus Sicht von Niko Härting (ab Minute 16:15) wenig überzeugende Tendenz, sollten mit der DS-GVO doch gerade Alternativen zum einwilligungsfixierten Datenschutz gestärkt werden.

Kritisch setzen sich die Hosts (ab Minute 24:30) auch mit der Frage auseinander, ob der EDSA bei seinen Vorgaben an die irische Aufsicht die Regularien des Kohärenzverfahrens der DS-GVO eingehalten hat und ob es mit den Iren hier eigentlich die Richtigen trifft.

Abschließend werfen beide einen Blick auf die Folgen der Entscheidung des EDSA für die auch im deutschen Verlagswesen weit verbreiteten Pur Abo-Modelle (ab Minute 34:00), wo sich der Inhalteanbieter für den Verzicht auf Tracking und Werbung bezahlen lässt – bei Meta werden dies zwischen 10 und 13 Euro im Monat sein, was der Konzern (erstaunlich rasch) bereits am 30.10.2023 verkündete. Es tut sich also was in der schönen Welt des Datenschutzes!

Follow the Rechtsstaat Folge 51

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Frau Prof. Dr. Dr. h.c. Gertrude Lübbe-Wolff war von 2002 bis 2014 Richterin am Bundesverfassungsgericht und hat kürzlich eine Studie veröffentlicht mit dem Titel „Beratungskulturen - Wie Verfassungsgerichte arbeiten und wovon es abhängt, ob sie integrieren oder polarisieren“. Die Studie hat 800 Seiten und vergleicht die Arbeit von Verfassungsgerichten in der ganzen Welt
(https://www.kas.de/documents/252038/16166715/Beratungskulturen.+Wie+Verfassungsgerichte+ar
beiten%2C+und+wovon+es+abh%C3%A4ngt%2C+ob+sie+integrieren+oder+polarisieren.pdf/a6832
3e0-dd86-6b7b-202e-bd4130edb511?version=1.3&t=1683291883575)

Im Gespräch mit Niko Härting geht Gertrude Lübbe-Wolff auf den ersten Teil der Veröffentlichung ein, welcher thematisiert, wie Entscheidungen und Mehrheiten bei Entscheidungen zustande kommen. Dabei werden (ab Minute 5:05) der US Supreme Court und das Bundesverfassungsgericht in ihren historischen Wurzeln verglichen. Bezug wird insbesondere auf das seriatim-Modell und dem per-curiam-Modell genommen. Beide werden näher von Gertrude Lübbe-Wolff erläutert und miteinander verglichen. Dabei berichtet Gertrude Lübbe-Wolff immer wieder aus der Praxis beim
Bundesverfassungsgericht.

Ferner werden (ab Minute 14:34) Annäherungstendenzen der beiden Systeme diskutiert. Insbesondere geht es um die Bedeutung von Sondervoten und die Rolle der Berichterstatter. Welche Bedeutung kommt Sondervoten bei Entscheidungen des BVerfG zu?

Gertrude Lübbe-Wolff kommt im Laufe des Gespräches auf die Persönlichkeiten von Richterinnen und Richtern zu sprechen mit kritischen Beispielen aus Brasilien (wo Richter nicht im stillen Kämmerlein, sondern vor laufender Kamera beraten, ab Minute 29:15). Ab Minute 32:55 geht es um den „Fanhype“ um US-Verfassungsrichter wie Ruth Bader Ginsburg, Sonia Sotomayor und Antonin Scalia. Trägt die Prominenz einzelner meinungsfreudiger Richterinnen und Richter zu mehr Transparenz der Entscheidungsfindung bei? Nährt die Tendenz zur Anonymität in Entscheidungen des BVerfG eine Illusion, indem Einigkeit der Richterinnen und Richter inszeniert wird, obwohl das Gericht bei der Beratung oft heftig streitet? Gertrude Lübbe-Wolff ist gegenüber jedem „Fanyhpe“ skeptisch und betont die Vorteile der deutschen Praxis.

Follow the Rechtsstaat Folge 50

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Um den Datenschutz haben Finanzämter und -Gerichte in Deutschland traditionell einen großen Bogen gemacht – jetzt kommen sie aber nicht mehr umhin, sich mit dem Thema Datenrecht auseinanderzusetzen.

In der Rubrik „Querbeet“ stellt Stefan Brink (ab Minute 01:05) eine Klage des US-Adressdaten-Händlers Acxiom gegen die hessische Datenschutz- Aufsichtsbehörde vor. Acxiom möchte die Gewährung von Akteneinsicht an den Beschwerdeführer noyb (Max Schrems) verhindern.

Das BVerfG (Az. 2219/20, Beschluss vom 25. September 2023, 1. Kammer BVerfG) beschäftigt mal wieder FTR: Die Präsidenten-Kammer erklärt die Verfassungsbeschwerde eines Profs, der sich gegen die Beschlagnahme von Forschungsunterlagen wendet und sich in seiner Forschungsfreiheit verletzt sieht, wegen angeblicher Begründungsmängel für unzulässig – obwohl die Frage der Einhaltung der Monatsfrist einfach zu klären gewesen wäre. Und macht so die Arbeit zahlreicher zuvor Angehörter (vom Bundestag bis zu kriminologischen Vereinen) zunichte.

Sodann erklärt die Kammer ausführlich, warum die Beschwerde gute Aussichten auf Erfolg gehabt hätte: In dem universitären Forschungsprojekts zur „Islamistischen Radikalisierung im Justizvollzug“ wurden Inhaftierte interviewt, vorab wurde ihnen Vertraulichkeit zugesichert. Bei einer Durchsuchung der Räumlichkeiten des Lehrstuhls wurden Forschungsunterlagen der Interviews beschlagnahmt, weil gegen eine im Rahmen des Projekts interviewte Person der Verdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland bestünde. In der Sache bestehen auch aus Sicht des BVerfG erhebliche Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Entscheidungen, das Beschwerdegericht habe Gewicht und Reichweite der Forschungsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) nicht angemessen berücksichtigt.

Zwei aktuelle finanzgerichtliche Entscheidungen verdienen danach (ab Minute 24:12) besondere Aufmerksamkeit: Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 9.3.2023 zur Frage der Schadenersatzpflicht eines Finanzamtes aus Art. 82 DS-GVO (ablehnend) entschieden und eine beharrliche Fehde mit der Klägerin, die wegen der Weitergabe der Telefonnummer ihres angestellten Ehemanns an die Senatsverwaltung für Finanzen 100 € Schadenersatz begehrte, vorläufig beendet. Dies wird sich der Bundesfinanzhof ebenso näher anschauen müssen wie das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg (vom 26. Juli 2023 – 10 K 3159/20 ab Minute 34:37), welches ein Recht auf Akteneinsicht in die Prüferhandakte während der laufenden Betriebsprüfung aus der DSGVO (Art. 15) mit wenig überzeugenden Gründen ablehnt. In beiden Fällen wird sich der BFH auch mit der Frage beschäftigen müssen, warum jeweils keine Vorlage an den EuGH (der ja laut BVerfG auch gesetzlicher Richter sein kann) erfolgte. Spaßiger Weise hielt das Finanzgericht Baden-Württemberg seinen Fall für einen „acte clair“ – der EuGH entschied allerdings in der Zwischenzeit genau umgekehrt. Tja.

Follow the Rechtsstaat Folge 49

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Der Datenschutz hat auch in Deutschland lange Zeit um Anerkennung ringen
müssen – gerade Gerichte bezogen sich lieber auf das gut bekannte Allgemeine
Persönlichkeitsrecht als auf dieses „neue Grundrecht“. Das beginnt sich mit der
DSGVO zu ändern, allerdings lässt sich fragen, ob Gerichte dabei nicht
manchmal übers Ziel hinausschießen.

In der Rubrik „Querbeet“ stellt Niko Härting (ab Minute 00:57) die Überlegungen
des Deutschen Anwaltvereins zu einem Vorschlag der EU Kommission vor, ein
digitales gesetzliches Zahlungsmittel – den „digitalen Euro“ – einzuführen und
was das für anonymes Bezahlen bedeutet.

Zwei aktuelle Gerichtsentscheidungen verdienen danach (ab Minute 11:22)
besondere Aufmerksamkeit: Das OLG Köln (Az. 15 U 3/23) wendet im Falle eines
Sternekochs, der sich unversehens als Werbebotschafter für Kaviar in einem
Verkaufskatalog wiederfand, den Art. 82 DSGVO an, betrachtet also die
entgangene fiktive Lizenzgebühr als datenschutzrechtlichen Schaden. Stefan
Brink und Niko Härting diskutieren, ob das ein Fehlgriff sein könnte, der Schule
macht. Denn die Beweislasten sind im Zivilrecht für Kläger häufig ungünstiger
verteilt als im Datenschutzrecht, das dem verantwortlichen Verarbeiter Nachweis-
und Rechenschaftspflichten auferlegt.

Das VG Frankfurt/Oder (Urteil vom 29.7.2023, Az. 2 K 1199/18 / ab Minute
20:05) fing sich von Niko Härting in der aktuelle Zeitschrift CR das Verdikt
„krasses Fehlurteil“ ein, weil es Sachdaten aus einer Denkmalakte pauschal als
personenbezogen einordnete. Der Personenbezug ist in Art. 4 Nr. 1 DSGVO (und
seinem Erwägungsgrund 26) zwar äußerst weit gefasst, aber damit jedes Datum
wegen seines Bezugs zum (Grundstücks-)Eigentümer für personenbezogen zu
halten, überzeugt nicht recht.

Abschließend (ab Minute 29:55) kommt ein Fehltritt der Stadt Köln zur Sprache,
die auf dem kommunalen Open Data Portal mehr als 45.000 geblitzte Raser samt
Kfz-Kennzeichen bloßstellte – eine evidente Datenpanne. Wie sich öffentliche
Stellen in solchen Fällen zu verhalten haben und was ihnen an Sanktionen (nicht)
droht, diskutieren die Hosts wie immer (fast) erschöpfend.

Follow the Rechtsstaat Folge 48

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Für mehr Durchblick in Staat und Verwaltung sorgt die Informationsfreiheit: Alle BürgerInnen haben inzwischen auch in Deutschland einen gesetzlichen Anspruch darauf, Behörden auf den Schreibtisch und in die Akten zu schauen – ohne besondere Voraussetzungen, kurzfristig und in der Regel kostenfrei. In dieser Folge blicken Niko Härting und Stefan Brink auf den Stand der Transparenz in unseren Behörden - mit freundlicher Unterstützung von FragDenStaat, der wichtigsten zivilgesellschaftlichen Institution zur Förderung der Informationsfreiheit in Deutschland. Der Verein um Arne Semsrott gibt uns ab sofort regelmäßig Einblick in die spannendsten Verfahren zur Herausgabe behördlicher Informationen und wir machen daraus zukünftig aktuelle Folgen von FTR.

Nach kurzen Eingangsüberlegungen (ab Minute 19:16) zur Pflicht eines Antragstellers nach dem IFG, seine Identität zu offenbaren (da liegen Welten zwischen den Positionen der staatlichen Informationsfreiheitsbeauftragten) werden zwei aktuelle Entscheidungen der Verwaltungsgerichte besprochen:

Das VG Berlin (Az. 2 K 161/21 vom 24.7.2023/ab Minute 28:54) setzt sich mit teilweise kuriosen Argumenten des Bundesinnenministeriums auseinander, warum die Protokolle des Corona-Krisenstabs der Bundesregierung nicht öffentlich zugänglich sein sollten. Das BMI befürchtete tatsächlich, dies könnte Verschwörungstheorien befeuern …

Und das VG Düsseldorf (Az. 29 K 5628/21 vom 24.8.2023/ab Minute 41:22) gibt die Dienstanweisung der Polizei NRW zum Einsatz von Tasern frei, nachdem es die besorgten Einwände der Polizei, dadurch würde der erfolgreiche Einsatz dieser Waffen gefährdet, entkräftete.

Zwei überzeugende Entscheidungen zugunsten der Informationsfreiheit also, die FragDenStaat erstritten hat - wir freuen uns auf interessanten „Nachschub“!

Follow the Rechtsstaat Folge 47

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Wie viele Juraprofessorinnen und -professoren haben migrantische Wurzeln? Welche Anwältinnen und Anwälte mit Migrationshintergrund kennt man so?

Aber ist es wirklich nötig, im Jahre 2023 noch über die Herkunft von Juristinnen und Anwälten zu diskutieren? Macht es wirklich einen Unterschied, ob eine Anwältin, Juraprofessorin, Juristin einen Migrationshintergrund hat? Ist es nötig, dass schwule Juristen ihre Sexualität „wie eine Monstranz vor sich hertragen“? Gehören wir Juristen nicht einem aufgeklärten Berufsstand an, dem es fremd ist, nach Geschlecht, Herkunft, Wurzeln, Sexualität zu unterscheiden?

Juraprofessor Felix Hanschmann (Bucerius Law School Hamburg) erregte kürzlich einiges Aufsehen mit einem Interview, das er anlässlich der „Kleinen Staatsrechtslehrertagung“ gab. In dem Interview äußerte sich Hanschmann kritisch über den „Habitus“, der (nicht nur) die Staatsrechtslehrertagungen dominiert: „Bürgerlich, weiß, ganz dominant weiß, ziemlich überwiegend männlich.“ Niko Härting spricht mit Hanschmann über den „Habitus“ von Juristinnen und Juristen, über Chancengleichheit und die Sichtbarkeit von Minderheiten. Warum dominiert auf vielen Tagungen, Sitzungen, Zusammenkünften und Juristen- und Anwaltstagen die Generation 50+? Warum sieht man so wenige Kolleginnen und Kollegen mit Migrationshintergrund? Weshalb gibt es unter Juraprofessoren und prominenten Anwältinnen auch 2023 nur wenige offen Homosexuelle?

Wenn Umgangsformen „aus gutem deutschen Haus“ gepflegt werden, fühlen sich Anwältinnen mit migrantischen Wurzeln, schwule Juristen oder auch Bildungsaufsteiger oft nicht als „dazugehörend“. Hanschmann und Härting sprechen darüber, wie sich dies ändern lässt und welche Bedeutung Diversität in allen juristischen Berufsgruppen hat.

Follow the Rechtsstaat Folge 46

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Immer neue Zugangshürden in Karlsruhe und Warten auf „Deutsche Wohnen“ in Luxemburg

Nicht nur Datenschützerinnen und Datenschützer warten gespannt auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Fall „Deutsche Wohnen“. Mit den Schlussanträgen des Generalanwalts und dem Vorlagebeschluss des EuGH hat sich Stefan Brink in der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW 2023, 2548) äußerst kritisch befasst.

Ab Minute 13:50: Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat wieder einmal ein neues Zugangshindernis „erfunden“. Anders als in etlichen früheren Entscheidungen lässt Karlsruhe einen Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht mehr für eine Verfassungsbeschwerde ausreichen, sondern verlangt ein „bewusstes und systematisches Übergehen prozessualer Rechte von Verfahrensbeteiligten“ (BVerfG vom 25.8.2023, Az. 1 BvR 1612/23). Besonders ärgerlich an dieser Entscheidung ist, dass der Anschein erweckt wird, man habe dies in Karlsruhe schon immer so gesagt. Niko Härting und Stefan Brink zeigen auf, dass dies nicht der Fall ist. Warum soll auch eine Verfassungsbeschwerde nur dann zulässig sein, wenn Grundrechte „bewusst und systematisch“ verletzt werden?

Ab Minute 30:37: In einem weiteren Fall lehnte das BVerfG die Annahme einer Verfassungsbeschwerde ab, die sich gegen eine strafrechtliche Verurteilung wendete (BVerfG vom 9.8.2023, Az. 2 BvR 558/22). 5 Jahre Haft, der Täter hatte per „EncroChat“ kommuniziert und war abgehört worden. Ob und inwieweit das behördliche Abhören (verschlüsselter) „EncroChat“-Kommunikation verfassungskonform war, ist äußerst umstritten. Stefan Brink und Niko Härting fragen sich, ob es wirklich zwingend war, dass das BVerfG dieser brisanten Frage ausgewichen ist.

Über diesen Podcast

„Follow the Rechtsstaat“, der Podcast der Zeitschrift PinG, Privacy in Germany mit Stefan Brink und Niko Härting. Wir kümmern uns um aktuelle Fragen des Rechts, des Rechtsstaats und unserer Verfassung und schauen dabei immer ganz besonders auf die Themen Datenschutz und Informationsfreiheit.

von und mit Prof. Niko Härting

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