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PinG-Podcast "Follow the Rechtsstaat"

Follow the Rechtsstaat Folge 40

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Niko Härting spricht mit Thomas Fuchs, seit November 2021 Hamburgischer Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit.

Seit den 90er-Jahren war Thomas Fuchs in der Hamburgischen Kulturverwaltung tätig und befasste sich unter anderem mit der Planung der Elbphilharmonie. Von 2008 bis 2021 war er Direktor der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein und war dort zuletzt auch für Intermediäre wie Google zuständig. In der Corona-Krise ging seine Behörde gegen Google vor, als man bei Google begann, Seiten des Bundesgesundheitsministeriums in den Suchergebnissen zu Corona hervorzuheben. Die Zusammenarbeit von Google und dem Gesundheitsministerium wurde von vielen begrüßt, um Desinformation zu bekämpfen. Nichtsdestotrotz handelte es sich um eine Bevorzugung staatlicher Informationen durch ein marktmächtiges Unternehmen, über deren Rechtmäßigkeit das Verwaltungsgericht Schleswig in geraumer Zeit entscheiden wird.

Thomas Fuchs ist überzeugt, dass Gesetze zur Datennutzung wie das geplante Gesundheitsdatennutzungsgesetz oder der europäische Data Act das Datenschutzrecht nicht „unberührt“ lassen können. Wenn eine massenhafte Nutzung von Daten gesellschaftlich gewollt ist, sei es nicht realistisch, einwilligungsbasiert vorzugehen. Fuchs kritisiert eine „falsche Zentrierung“ auf die Einwilligung und ist der Überzeugung, dass man in Zukunft verstärkt auf „Opt-Out-Systeme“ setzen wird. Datenschutzbehörden dürften bei dieser Entwicklung keine „Bremsklötze“ sein, sondern sollten hieran gestaltend mitwirken. Der Gesetzgeber sei gefordert, den „Paradigmenwechsel“ von der Einwilligung zu „Opt-Out-Systemen“ gesetzlich auszugestalten. Dass die DSGVO in zahlreichen Rechtsakten als „unberührt“ bezeichnet wird, kann und darf nicht das letzte Wort des Gesetzgebers sein.

Bei seinem Amtsantritt als oberster Datenschützer des Stadtstaates Hamburg war Thomas Fuchs beeindruckt von dem Sachverstand und der Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seiner Behörde. Für problematisch erachtet es Fuchs jedoch, dass die Arbeit der Behörde ganz überwiegend „beschwerdegetrieben“ ist und kaum dazu kommt, eigene Schwerpunkte zu setzen. Thomas Fuchs hat sich eine Optimierung der Prozesse zur Bearbeitung von Beschwerden vorgenommen durch Digitalisierung und durch eine effizientere Nutzung der personellen Ressourcen der Behörde. Gelungen ist dadurch eine proaktive Untersuchung der Datenschutzkonformität von Abläufen bei Maklerbüros in Hamburg.

Informationsfreiheit und Transparenz werden in Hamburg groß geschrieben. Thomas Fuchs berichtet über das Transparenzregister, das es in Hamburg bereits seit einigen Jahren gibt. Für „normale Verwaltungsvorgänge“ gilt weiter Informationsfreiheit mit einer Abhilfequote der Hamburgischen Behörde, die laut Fuchs bei 90 % liegt.

Thomas Fuchs spricht über die geplanten Reformen bei der Datenschutzkonferenz („DSK 2.0.“) und bricht am Schluss eine Lanze für den Datenschutz im öffentlichen Bereich. Das Datenschutzrecht ist nach Fuchs‘ Überzeugung zu sehr Wirtschaftsrecht geworden. Die behördliche Datennutzung müsse jedoch auch weiterhin stark im Fokus der Datenschutzaufsicht liegen. Der Schutz des Bürgers gegen staatliche Übergriffe hält Fuchs für eine selbstverständliche Kernaufgabe seiner Behörde.

Follow the Rechtsstaat Folge 39

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Judith Froese spricht mit Niko Härting über den Regierungsentwurf für ein neues „Selbstbestimmungsgesetz“, das transsexuellen und intersexuellen Menschen eine Änderung ihres Personenstandes erleichtern soll.

„Der Mensch in der Wirklichkeit des Rechts. Zur normativen Erfassung des Individuums durch Kategorien und Gruppen“ - Dies ist der Titel der Habilitationsschrift (2020) von Judith Froese, die Professorin auf den Gebieten des Verfassungsrechts, Verwaltungsrechts und der Rechtsphilosophie an der Universität Konstanz ist.

In dem Gespräch mit Niko Härting geht es um das Transsexuellengesetz aus dem Jahre 1980, das für einen Wechsel des Personenstandes zwei medizinische Gutachten vorschreibt und von den Betroffenen als entwürdigend empfunden wird. Nach dem geplanten Selbstbestimmungsgesetz soll dagegen eine einfache Erklärung vor dem Standesamt die Änderung des Personenstandes und des Vornamens ermöglichen. Judith Froese hat zwar keinen Zweifel am dringenden Reformbedarf, sieht jedoch einige der geplanten neuen Vorschriften kritisch. Unter anderem kritisiert sie, dass sich der Gesetzesentwurf jeglicher Definition der Kategorie des „Geschlechts“ enthält.

Froese weist auf den Widerspruch hin, dass einerseits die Kategorie des „Geschlechts“ als weitgehend bedeutungslos angesehen wird, während es andererseits ein verbreitetes Bedürfnis gibt, sich über seine individuellen Merkmale, zu denen auch das „Geschlecht“ gehört, in seiner „Identität“ zu definieren.

Niko Härting lernt aus dem Gespräch, dass es durchaus fraglich ist, ob man überhaupt noch einen amtlichen „Personenstand“ braucht. Wenn Männer, Frauen und Diverse - anders als in früheren Zeiten - in nahezu allen Lebensbereichen gleiche Rechte und Pflichten haben und jedwede Diskriminierung untersagt ist, wird der amtliche „Personenstand“ zunehmend ein Relikt aus vergangenen Zeiten.

Follow the Rechtsstaat Folge 38

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Stefan Brink und Niko Härting sprechen zunächst über den Angemessenheitsbeschluss der Europäischen Kommission, der den Transfer von Personendaten in die USA erleichtert. Nach „Safe Harbor“ und „Privacy Shield“ heißt es jetzt – ganz nüchtern – „EU-U.S. Data Privacy Framework“. Mal schauen, was daraus wird.

Ab Minute 12:05: Susanne Baer war bis vor kurzem Richterin am BVerfG und hat am 26.5.2023 ihre Abschiedsrede gehalten, die kürzlich auszugsweise im „Spiegel“ nachzulesen war (https://www.spiegel.de/kultur/richterin-susanne-baer-sie-brauchen-grundrechte-wenn-sie-irgendwie-groesser-als-anders-kleiner-als-sind-a-51e856ed-9e43-49f9-b6c5-3963ed8f5578). In einem FAZ-Beitrag hat sich der Bonner Hochschullehrer Klaus Ferdinand Gärditz zu dieser Rede sehr kritisch geäußert

(https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/verfassungsgericht-darf-sich-nicht-der-kritik-an-seinen-urteilen-verschliessen-19021651.html).

Susanne Baer zeichnet in ihrer Abschiedsrede ein düsteres Bild von dem Zustand der Gesellschaft, befürchtet ein „Rollback“. Sie beklagt eine zunehmende Diffamierung des BVerfG und seiner Richter, spricht von einem „gefährlichen Sound“ aus dem rechten Spektrum, das die Verfassungsordnung ablehne. Klaus Ferdinand Gärditz tritt dieser Sichtweise entgegen und meint, eine Verfassungsgerichtsbarkeit dürfe nicht aus Sorge vor populistischen Affekten „kritikscheu“ werden: „Robustheit und die Gelassenheit, besonders wilden Blödsinn zu ignorieren, gehören zur Jobbeschreibung aller, die ein öffentliches Amt haben.“

Stefan Brink und Niko Härting diskutieren, ob es tatsächlich Anzeichen für das von Susanne Baer befürchtete „Rollback“ gibt. Dagegen könnte sprechen, dass es heute – anders als beim Amtsantritt von Susanne Baer vor 12 Jahren – kaum noch Aufsehen erregen würde, dass eine Verfassungsrichterin offen homosexuell ist. Hat Gärditz recht, wenn er meint, man sei in Karlsruhe womöglich „kritikscheu“? Gibt es in Karlsruhe eine Art „Bunkermentalität“, die sehr unterschiedliche Richterinnen und Richter zum Zusammenhalt motiviert, weil man sich populistischer, diffamierender Kritik von „Feinden der Verfassung“ ausgesetzt sieht?

Follow the Rechtsstaat Folge 37

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Der Ex-Verfassungsrichter und Hochschullehrer Dieter Grimm spricht mit Niko Härting über die Wirkungsgeschichte des Grundgesetzes, über wegweisende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), die Richterwahl und die Bedeutung von Sondervoten.


Dieter Grimm war von 1987 bis 1999 Richter am BVerfG und gehörte dem Ersten Senat an. In dem Gespräch mit Niko Härting geht es zunächst um seinen Werdegang mit Stationen in Frankfurt/Main, Bielefeld, Karlsruhe und Berlin. Als „Permanent Fellow“ wirkt Dieter Grimm seit mehr als 20 Jahren am Wissenschaftskolleg zu Berlin.

2022 erschien Grimms Buch „Die Historiker und die Verfassung – ein Beitrag zur Wirkungsgeschichte des Grundgesetzes“ (https://www.chbeck.de/grimm-historiker-verfassung/product/33343352), das im Mittelpunkt des Gesprächs steht. Die „Wirkungsgeschichte“ ist für Grimm das „Reich dazwischen“, zwischen Rechtswissenschaft und Geschichte, von Zeithistorikern nur wenig erkundet. Zeithistoriker interessieren sich meist nur für die unmittelbaren Folgen wegweisender BVerfG-Entscheidungen („Wer hat verloren? Wer hat gewonnen?“, nicht jedoch für deren Fernwirkungen.

Grimm und Härting sprechen über das KPD-Verbot aus den 1950er-Jahren, eine BVerfG-Entscheidung, deren Fernwirkungen Grímm für eher übersichtlich hält. Umso bedeutsamer das Lüth-Urteil, das weit über Deutschland hinaus bekannt ist. Durch „Lüth“ erhielten die Grundrechte „Drittwirkung“ und prägten die Rechtsordnung auch außerhalb des Verhältnisses „Bürger/Staat“, eine Rechtsordnung, die in den 1950er-Jahren größtenteils noch aus vordemokratischer Zeit stammte und zum erheblichen Teil geändert oder doch neu interpretiert werden musste.

Von großer Tragweite war auch das Elfes-Urteil, das gleichfalls aus den 1950er-Jahren stammt. Die Geburtsstunde des Verhältnismäßigkeitsprinzips als prägendes Merkmal des deutschen Verfassungsrechts. Und die Geburtsstunde des Art. 2 Abs. 1 GG („freie Entfaltung der Persönlichkeit“) als „Auffang-Grundrecht“, von Dieter Grimm stets kritisch gesehen, nicht zuletzt in seinem späteren Sondervotum zu „Reiten im Walde“, in dem er vor einer „Banalisierung von Grundrechten“ warnte.

In Folge 25 von „Follow the Rechtsstaat“ ging es unter anderem um die Abschiedsrede des Verfassungsrichters Peter M. Huber und dessen Satz, dass Sondervoten stets als „Niederlage“ wahrgenommen werden, da sich das Gericht stets um Konsens bemühe. Dieter Grimm sieht dies etwas anders. Als die Möglichkeit von Sondervoten 1971 neu eingeführt wurde, gab es Kritik, dass dies der Autorität des Gerichts schaden könne. Diese Befürchtung hat sich indes nicht bewahrheitet. Die Möglichkeit von Sondervoten hat sich nach Grimms Einschätzung als positiv erwiesen, signalisiert sie doch der unterlegenen Seite Verständnis und Unterstützung.

Dieter Grimm schätzt, dass in seiner Zeit in Karlsruhe nur etwas mehr als 60% der Entscheidungen einstimmig ergingen. Sondervoten gab es immer wieder, aber auch Grimm beobachtet, dass von der Möglichkeit eines Sondervotums heute nur noch sehr selten Gebrauch gemacht wird.

Dieter Grimm und Niko Härting sprechen auch über die Rolle des BVerfG in den 1970er-Jahren. Damals stand das Gericht stark in der Kritik, es gab sogar einen nächtlichen Brandanschlag. Man warf Karlsruhe vor, die Reformpolitik der sozialliberalen Regierung auszubremsen. Besonders in der Kritik stand die Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch mit einem berühmten Sondervotum von Wiltraut Rupp-von Brünneck und Helmut Simon. Die Geburtsstunde staatlicher Schutzpflichten, die den Staat nach Auffassung der Richtermehrheit sogar zu strafrechtlich sanktionierten Verboten verpflichtete.

Das Volkszählungsurteil, das dieses Jahr 50 Jahre alt wird, war für Dieter Grimm eine Art Wendepunkt für das Ansehen des BVerfG, denn es löste bei Bürgerrechtlern einen „Jubelsturm“ aus, ähnlich wie das kurz darauf folgende Brokdorf-Urteil, das bis heute das Versammlungsrecht prägt.

Follow the Rechtsstaat Folge 36

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Stefan Brink war kürzlich zu Gast beim Europarat in Straßburg mit einem Vortrag zum Datenschutz und zum Schutz der Privatsphäre bei Anti-Doping-Maßnahmen. Im Gespräch mit Niko Härting erläutert Stefan Brink die Rolle und Funktion des Europarats und berichtet über die eklatanten Eingriffe in Persönlichkeitsrechte der Leistungssportler, die im Zeichen des Kampfes für einen „sauberen Sport“ zu deren beruflichem Alltag gehören. All dies auf der Basis – angeblich – „freiwilliger“ Einwilligungen der Sportlerinnen und Sportler.

Ab Minute 12:20 : Martin Eifert, Professor für öffentliches Recht und Verwaltungsrecht an der Humboldt-Uni Berlin ist seit Februar 2023 (auf Vorschlag der „Grünen“) Richter des 1. Senats des BVerfG. Im April erschien in der JuristenZeitung ein Aufsatz, den Eifert gemeinsam mit Nora Wienfort verfasst hat (JZ 2023, 270 ff.). Es geht um „Hassrede als Gefährdung der verfassungsrechtlich geschützten offenen Kommunikation unter Freien und Gleichen“. In diesem Aufsatz wird versucht, die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) durch einen „Schutz der Entschließungsfreiheit zur sozialen Exponierung“ als Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu ergänzen, um auf diese Weise „Einschüchterungseffekte“ von „Hassrede“ verfassungsrechtlich zu erfassen. Dies läuft auf eine Einschränkung der Meinungsfreiheit im Zeichen des Schutzes des „öffentlichen Diskurses“ hinaus und liegt auf einer Linie mit der Rhetorik, die man seit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) verwendet, um gegen „lawful but awful speech“ vorzugehen. Tendenziell schränkt man die Meinungsfreiheit lautstarker Minderheiten im Interesse des ungestörten „öffentlichen Diskurses“ der Mehrheit ein.

Ab Minute 30:10 : Ferdinand Kirchhof, emeritierter Professor für öffentliches Recht und von 2010 bis 2018 Vizepräsident des BVerfG, hat sich in der NJW unlängst mit dem „Wirkungsbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit“ befasst (NJW 2023, 1922 ff.). Kirchhof ist ein Konservativer. Anders als der linksliberale Eifert sieht er die Meinungsfreiheit weniger bedroht durch „Hassrede“ als durch „Zensur aus den Reihen der Gesellschaft“, „Political Correctness“, „Cancel Culture“ und das, was Kirchhof unter „Wokeness“ versteht. Ähnlich wie Eifert sieht Kirchhof die Meinungsfreiheit weniger durch den Staat bedroht als durch „durchsetzungsstarke Minderheiten“. Ähnlich wie Eifert beklagt er einen unzureichenden Schutz des „Publikums“ vor lautstarken Minderheiten. Die Ähnlichkeit des Denkens von Eifert und Kirchhoff ist frappierend.

Follow the Rechtsstaat Folge 35

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Ab Minute 1:00: Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte kürzlich zu entscheiden, ob Videoaufnahmen, die datenschutzwidrig aufbewahrt worden waren, in einem Kündigungsschutzprozess verwertet werden dürfen, um einem Arbeitnehmer Vertragsverstöße nachzuweisen (BAG vom 29.6.2023, Az. 2 AZR 296/22). Anders als die Vorinstanzen hielt das BAG die Aufnahmen trotz des Datenschutzverstoßes für verwertbar. Stefan Brink kommentiert dies kritisch, während Niko Härting die Entscheidung des BAG für stimmig hält.

Ab Minute 18:11: In Folge 26 diskutierten Niko Härting und Stefan Brink die EuGH-Entscheidung vom 4.5.2023 (Az. C-487/21) zum „Recht auf Kopie“ (Art. 15 Abs. 3 DSGVO). Eine Entscheidung, die man so verstehen kann, dass Unternehmen jetzt von sich aus Kopien anfertigen müssen, wenn sie mit einem Auskunftsersuchen nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO konfrontiert werden. Dies selbst dann, wenn gar nicht nach Kopien gefragt wird. In einer neuen Entscheidung geht der EuGH noch einen Schritt weiter und erstreckt den Auskunftsanspruch auf Protokolldaten (EuGH vom 22.6.2023, Az. C-579/21). Nimmt man die neue Entscheidung beim Wort, wird jedes Unternehmen, bei dem ein Auskunftsersuchen eingeht, jetzt prüfen müssen, welche Protokolldateien existieren, die Aufschluss darüber geben können, wann welche Daten abgerufen wurden, die über den Betroffenen gespeichert sind, der Auskunft begehrt. Wirklichkeitsfremd, meint Niko Härting.

Follow the Rechtsstaat Folge 34

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Prof. Dr. Dennis-Kenji Kipker ist Hochschullehrer an der Hochschule Bremen und gehört zu den führenden deutsche Experten im IT-Sicherheitsrecht. Im Gespräch mit Stefan Brink und Niko Härting geht es um die wachsende Bedeutung des IT-Sicherheitsrechts, das allmählich aus dem Schatten des Datenschutzrechts heraustritt. Und es geht um das „Digitale Briefgeheimnis“, das Kipker aus deutschem und europäischem Verfassungsrecht ableitet.

In einer neuen Studie, die Kipker für die Friedrich-Naumann-Stiftung erstellt hat (https://shop.freiheit.org/#!/Publikation/1481), zeigt Kipker Dimensionen eines „Digitalen Briefgeheimnisses“ auf, das sich nach Kipkers Auffassung sowohl aus Art. 10 GG als auch aus dem Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme („IT-Grundrecht“, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) ergibt sowie aus Art. 7 und 8 der EU-Grundrechtecharta. Das Grundrecht auf (Ende-zu-Ende-)verschlüsselte elektronische Kommunikation ist aus Kipkers Sicht nicht nur ein Freiheitsrecht, aus dem sich hohe Hürden für „Backdoors“ der Sicherheitsbehörden und für Verschlüsselungsbeschränkungen ableiten lassen. Kipker bejaht auch umfassende staatliche Schutzpflichten zur Förderung und Erleichterung verschlüsselter Nachrichtensysteme.

Follow the Rechtsstaat Folge 33

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Helene Bubrowski ist promovierte Juristin und Politikkorrespondentin bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Kürzlich ist ihr Buch „Die Fehlbaren“ erschienen. Es geht um Fehlerkultur in Politik und Medien (https://www.dtv.de/buch/die-fehlbaren-28325).

Niko Härting spricht mit Helene Bubrowski über den Umgang mit Fehlern in der Corona-Krise. Von Ex-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn stammt der Satz, man werde „einander viel verzeihen“ müssen. Spahns Nachfolger Karl Lauterbach pflegt hingegen einen robusteren Umgang mit Fehlern. Eingeständnisse sind Lauterbach eher fremd. In dieser Hinsicht ähnelt er der Ex-Kanzlerin Angela Merkel, deren öffentliche Entschuldigung im Zusammenhang mit der Corona-„Osterruhe“ 2021 vor allem deshalb im Gedächtnis bleibt, weil dies bis heute Merkels einziges Eingeständnis eines eigenen Fehlers ist.

Politikerinnen und Politiker sind natürlich nicht nur in pandemischen Zeiten fehlbar. Am Beispiel der Berliner Senatorin Franziska Giffey, des CDU-Abgeordneten Philipp Amthor und des Landwirtschaftsministers Cem Özdemir sprechen Bubrowski und Härting über unterschiedliche Reaktionen auf eigene Fehler. Während Giffeys Rücktritt als Bundesfamilienministerin zeitlich günstig mit ihrer Kandidatur als Berliner Regierende Bürgermeisterin zusammenfiel, legten Amthor und Özdemir nach Skandalen ihre Ämter nieder und begaben sich erst einmal in die zweite oder dritte Reihe der Politik. Wie gnadenlos die Konkurrenz in der eigenen Partei sein kann, zeigte sich bei Özdemir viele Jahre später, als Parteifreunde Berliner Journalisten mit alten Geschichten versorgten, um eine Wahl Özdemirs zum Co-Fraktionsvorsitzenden zu verhindern.

Es geht in dem Gespräch auch um die Rolle und die Verantwortung der Medien und um Journalisten, die als „Bluthunde“ wahrgenommen werden. Und es geht um den Stolz, mit dem ein bayerischer Ministerpräsident die Zahl seiner Follower in Social Media zusammenrechnet, und um die vielen Twitter-„Likes“, wegen derer sich für eine Bundesinnenministerin das Tragen einer Armbinde („One Love“) im Fußballstadion eines Golfstaates gelohnt haben soll. Und es geht dann noch einmal um die Corona-Krise und den Shitstorm, den die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien erlebte, als sie für Augenmaß bei Schulschließungen warb.

Follow the Rechtsstaat Folge 32

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Ab Minute 2:05:

Die Mühlen des Rechtsstaats mahlen bisweilen langsam. Und so dauerte es mehr als 5 Jahre, bis sich eine Bürgerin 150 EUR Schadensersatz für einen missglückten Polizei-Tweet erstritt. Stefan Brink und Niko Härting diskutieren ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster (OVG Münster vom 28.11.2022, Az. 5 A 2808/19). Braucht die Polizei eigentlich eine Rechtsgrundlage für ihre Öffentlichkeitsarbeit per Twitter und anderen Social Media? Welche rechtlichen Bindungen gibt es? Ist Humor erlaubt?

Ab Minute 16:55:

Das OLG Dresden hatte kürzlich (im einstweiligen Rechtsschutz) einen bizarren Fall zu entscheiden (OLG Dresden vom 4.4.2023, Az . 4 U 1486/22). In einem Webshop wurden Textilien angeboten, auf denen ein Linolschnitt abgebildet war nach einer Portraitzeichnung der Antragstellerin aus dem Jahr 1960. Die Antragstellerin wollte dies dem Betreiber des Webshops untersagen lassen und berief sich auf Datenschutz und das Recht am eigenen Bild. Aber hat eine Zeichnung, die mehr als 60 Jahre alt ist, überhaupt noch Personenbezug? Und wie verhält es sich mit dem Recht am eigenen Bild, das nach § 23 Abs. 1 Nr. 4 des Kunsturhebergesetzes (KUG) nur sehr eingeschränkt gilt, wenn „ein höheres Interesse der Kunst“ im Spiel ist?

Follow the Rechtsstaat Folge 31

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Ab Minute 0:50:

Eckart von Hirschhausen ist Arzt, Comedian und seit Anfang 2022 auch Honorarprofessor an der Universität Marburg. Wie die Gutachten lauteten, die zur Professur führten, und welchen Gutachtern von Hirschhausen die Professur verdankt, bleibt geheim. Die Universität Marburg lehnte einen Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) des Landes Hessen ab. Begründung: Die Gutachten seien nur für die „interne Entscheidungsfindung“ bestimmt gewesen, außerdem lasse der Datenschutz die gewünschten Auskünfte nicht zu. Stefan Brink und Niko Härting sprechen darüber, was von den Einwänden der Universität zu halten ist in einem Fall, der erstaunliche Parallelen zu dem Rechtsstreit um die Honorarprofessur des BVerfG-Präsidenten Stephan Harbarth aufweist, über den das Verwaltungsgericht Karlsruhe im vergangenen Jahr in erster Instanz entschieden hat (Urteil vom 18.1.2022, Az. 11 K 1571/20).

Ab Minute 16:50:

Derzeit unter anderem beim Berliner CSD-Verein zu beobachten und längst ein Klassiker unter den typischen internen Streitigkeiten in Vereinen: Es gibt innerhalb des Vereins Kritik, Proteste, Opposition gegen den Vorstand, und der Vorstand weigert sich, Kritikern die Mitgliederliste auszuhändigen. Begründung: Datenschutz. Dass dies nicht ganz so einfach ist, lässt sich an einer neuen Entscheidung des OLG Hamm erkennen (OLG Hamm vom 26.4. 2023, Az. 8 U 94/22). Das OLG vertrat die Auffassung, dass ein Vereinsvorstand zur Herausgabe der Liste eines Vereins mit ca. 5.500 Mitgliedern verpflichtet ist, um vereinsinternen Kritikern eine Kommunikation mit den anderen Vereinsmitgliedern zu ermöglichen. Datenschutzrechtlich sei dies auch erlaubt, da Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. b DSGVO (Datenverarbeitung zur Vertragserfüllung) die Herausgabe der Adressdaten legitimiere. Das Datenschutzrecht sei „Ermöglichungsrecht, kein Verhinderungsrecht.“

Ab Minute 37:36:

Wenn die Deutsche Rentenversicherung (DRV) einen Social Media-Kanal einrichtet, haben die Beschäftigten dabei ein Wörtchen mitzureden, weil der Kanal als „technische Einrichtung zur Überwachung des Verhaltens und der Leistung von Beschäftigten“ (§ 80 Abs. 1 Nr. 21 BPersVG) anzusehen ist? Niko Härting findet schon die Frage seltsam, Stefan Brink erklärt ihm, weshalb das BVerwG die Frage beherzt mit „Jein“ beantworten konnte (BVerwG vom 4.5.2023, Az. 5 P 16.21)

Über diesen Podcast

„Follow the Rechtsstaat“, der Podcast der Zeitschrift PinG, Privacy in Germany mit Stefan Brink und Niko Härting. Wir kümmern uns um aktuelle Fragen des Rechts, des Rechtsstaats und unserer Verfassung und schauen dabei immer ganz besonders auf die Themen Datenschutz und Informationsfreiheit.

von und mit Prof. Niko Härting

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